Mein großes Kind geht Wege, die meine nur noch ab und zu kreuzen.
Von Anfang an ist das Großwerden des eigenen Kindes ein gemischtes Gefühl: Freude über neu Erlerntes, für sich Entdecktes, eigen Ergriffenes und Schmerz über weniger dichte Verbundenheit, weniger Notwendigkeit, da zu sein für das ins Leben gehende Kind.
Zu sehen, wie es seine ersten Schritte tut, bedeutet, es weniger zu tragen.
Zu sehen, wie es selbst zur Schule geht, bedeutet, auch andere werden es lehren.
Zu sehen, wie es seinen Rucksack packt und geht, bedeutet, einen unsagbaren Schmerz zu fühlen, weil es seine alte Heimat hinter sich läßt.
Mein Kind, ein eigener Mensch von Anbeginn an, tritt aus unserem behütenden Liebeskreis aus und sucht seinen Weg in die Welt. In seine Welt, die ebenso von Anbeginn in ihm ist, und von der ich zuweilen glaube, daß ich sie nicht mehr verstehe.
Und dann, ganz plötzlich und unvermutet, ist es wieder da: in einem Blick, in einer Zuwendung, die ich jetzt und hier nicht für möglich gehalten hätte, in der Berührung seiner Umarmung – das, was ich immer gespürt habe, seit mein Kind das erste Mal in meinem Arm lag und mich mit seinen großen, klugen Augen anblickte: Ein Band, eine Verbindung, die uns zusammen nimmt in einer Dimension, die über alle Zeit und jeglichen Raum hinaus um uns schwingt.